Rede des Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2017

Thomas Boos
Thomas Boos

Sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

„Den Namen habe ich schon manchmal gehört. Aber was eigentlich dahintersteckt, kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.“ Das ist eine typische Antwort auf meine Frage an Bekannte: „Wissen Sie, was der Ruhrsiedlungsverband ist?“ So begann Heiner Radzio 1970 seine bemerkenswerte Denkschrift „Leben an der Ruhr – Fünfzig Jahre Kleinkrieg für das Revier“ zum fünfzigjährigen Bestehen unseres Verbandes. Auch wenn sich der Name seitdem mehrfach geändert hat, so gilt dieser Satz aus meiner Sicht auch heute noch so kurz vor dem Hundertsten für weite Kreise der Bevölkerung im Ruhrgebiet. Daran wird auch die millionenschwere Imagekampagne, für die sich die Mehrheit dieses Hauses entschieden hat, und für die heute die Verbandsumlage auf 0,6717 % erhöht werden soll, nichts ändern. Und das in Zeiten, da insbesondere im westfälischen Teil unseres Verbandes, die Mitgliedskörperschaften im Rahmen des Stärkungspaktes unter der Umlageerhöhung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe massiv zu leiden haben.

 

So ist es doch berechtigt, heute im Rahmen der Haushaltsverabschiedung nochmals die Frage zu stellen, braucht die Wirtschaft, brauchen die Menschen im Ruhrgebiet eine internationale Standortwerbekampagne, für die im Haushalt für den Zeitraum von 2017 bis 2019 10.000.000 € eingeplant sind? Zum Vergleich sind im Haushalt jährlich 2,56 Mio. € als Zuschuss für die wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH vorgesehen. Das sind nicht einmal 3 % des Gesamthaushaltes. Das eigene Profil kann man auch schärfen, in dem man die vorhandenen Kräfte sinnvoll nutzt und als Marke stärker am Markt positioniert. Auch im Rahmen der Aufstellung des Regionalplanes wäre eine Stärkung der Position der wmr durch eine eigene, gezielte Vermarktung der zukünftigen Kooperationsstandorte unabhängig von kommunalen Egoismen sinnvoll und wünschenswert und würde sicherlich wesentlich mehr zur Stärkung des Images der Region bei internationalen und nationalen Entscheidern beitragen.

 

Jahrelang haben wir in diesem Hause um eine Lösung für die defizitären und teilweise maroden Freizeitgesellschaften, den in Stein gemeißelten Relikten der sechziger Jahre, gerungen, haben über Modelle diskutiert, viel Geld zusätzlich investiert und jetzt so kurz vor dem Ziel, droht die lange überfällige Gesamtlösung erneut an kommunalen Selbstdarstellern zu scheitern. Und nicht nur das, die erwarteten finanziellen Effekte finden keinen Widerhall im Haushalt. Da wäre es doch sinnvoller gewesen, nach dem Prinzip „form follows function“ zu handeln und zunächst über Inhalte und Konzepte zu diskutieren, als über die Gesellschaftsform. Eine zumindest in finanzieller Hinsicht vertane Chance. Wir werden sehen, wie sich die verschmolzene Gesellschaft in Zukunft entwickeln wird.

 

Allein diese Beispiele genügen aus unserer Sicht, dem Haushalt in der heutigen Fassung unsere Zustimmung zu verweigern. Im Detail ließen sich noch eine Menge Beispiele nennen, wie die ausdrücklich vom Kommunalrat gewünschte Stelle zur „Digitalen Metropole Ruhr“, die aus unserer Sicht eher als kommunale Aufgabe zu sehen ist.

 

Dass wir im Pflanzen von Bäumen, Ruhr Grün lässt mit fast 7 Mio. € im Haushalt grüßen, besonders stark sind, brauche ich, so glaube ich, gar nicht zu erwähnen.

 

Durchaus wohlmeinende Kritiker sehen in unserem Verband immer noch den Spiel- und Spaßverband der 80-ziger Jahre. Und so ganz unrecht haben sie wohl damit nicht. Dass wir im Haushalt für die sicherlich interessanten und sinnvollen Ruhrgames annähernd die gleiche Summe eingestellt haben, wie für die Wirtschaftsförderung einer strukturell immer noch schwierigen Region, lässt diesen Gedanken sicherlich aufkommen. Und bei einem Blick auf unser selbstgestecktes Strategie- und Zielkonzept wird man im Haushalt schnell fündig, wo die finanziellen Schwerpunkte liegen, im Wesentlichen genau in diesem Bereich. Nun könnte man meinen, dass sei zynisch, denn die Freizeitwirtschaft nähme ja nun einmal zu, und die Menschen in unserer Region hätten ja soviel Freizeit und seien auch nur noch mit dem Fahrrad unterwegs und da bräuchte es ja nun einmal auch Fahrradautobahnen und Unterstände als Imageträger, die aussehen wie alte Bahnwaggons.

 

Das mag ja alles richtig sein und „Radtouren rund ums Klima“ sind sicherlich für viele eine pädagogisch sinnvolle Attraktion im Rahmen der Klima.Expo.NRW, aber was die Menschen in unserer Region in erster Linie brauchen, sind zukunftsfähige Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsplätze, um sich all das, was dieser Verband mit öffentlichen Geldern den Menschen anbietet, auch leisten zu können. Und sie brauchen eine gut vernetzte Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsträger, die es Ihnen ermöglicht, auch zeitnah an ihre Arbeitsplätze zu kommen um dann anschließend all die segensreichen Freizeitangebote, die wir ihnen anbieten, auch nutzen zu können.

 

Vor diesem Hintergrund unterstützen wir nachdrücklich die Bestrebungen zur Wissensmetropole Ruhr, da könnte unser Verband wesentlicher Anker und verbindendes Glied zwischen Wirtschaft und Hochschulen sein; dies bedeutet mehr als ein Gipfel, Foren und Konzepte. Dies bedeutet Netzwerk und Anlaufstelle zu sein mit dem Ziel, die vielen gut ausgebildeten Menschen in unserer Region zu halten. Auf diesem Weg finden sie in der FDP immer einen verlässlichen Partner.

 

Schaut man auf die Geschichte unseres Verbandes, waren wir immer dann besonders stark und glaubwürdig, wenn die Menschen in dieser Region gespürt haben, hier bewegt sich etwas, hier wird nicht nur verwaltet und geredet, sondern Projekte umgesetzt. Menschen wie Robert Schmidt, Sturm-Kegel, Heinz Neufang und all die anderen haben wesentlich zur strukturellen Verbesserung der Region beigetragen - oft gegen den massiven Widerstand der Oberbürgermeister und Landräte und der Landesregierungen, nicht immer mit Erfolg, aber mit viel Eifer. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Entscheidung zur IGA 2027 und erwarten von diesem Projekt viele positive Impulse für die heimische Wirtschaft und die Menschen in unserer Region.

 

Mein Vorgänger im Amt, Thomas Nückel, pflegte an dieser Stelle oft zu sagen, der Verband sei ein zahnloser Tiger, schön und zahm. Durch das neue RVR-Gesetz haben wir nun ein paar Zähne bekommen, aber wir nutzen sie manchmal nur halbherzig.

 

Regionale Klammer zu sein, heißt eben auch, hin und wieder zuzubeißen, wenn es darum geht, z. B. im Rahmen der Regionalplanung eine bessere Personalausstattung beim Land einzufordern, die Metropole Ruhr zu einer eigenständigen Kulturregion zu machen oder über Fördermaßnahmen selber bestimmen zu können, ohne von den Bezirksregierungen Münster, Arnsberg und Düsseldorf immer an die Hand genommen zu werden.

 

Der zu Beginn zitierte Heiner Radzio endet in seinem Buch mit einem eher versöhnlichen Ausblick:

„Ob der SVR die nächsten fünfzig Jahre (…) überhaupt überleben wird, erscheint eher fraglich. Zu gönnen wäre es ihm, denn er hat Pionierdienste für die Menschen an Rhein und Ruhr geleistet. (…) Die Menschen (…) haben diesem unscheinbaren Verband (…) ohne es zu wissen, viel zu verdanken. Kein Grund, um große Lorbeerkränze zu winden. Aber doch einer, um ein wenig Reverenz zu erweisen."

 

Darum möchte ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung unseren Dank für die geleistete Arbeit aussprechen, verbunden mit den besten Wünschen für das kommende Jahr.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.