Rede des Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2022

Thomas Boos
Thomas Boos

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ich fange mal ungewöhnlicherweise mit dem Dank an.

 

Zunächst möchte ich mich recht herzlich bei den Fraktionsvorsitzenden der CDU und SPD bedanken für das Zugeständnis, heute hier länger reden zu können, als es die Geschäftsordnung unserer Verbandsversammlung erlaubt. Dennoch möchte ich mich heute als letzter Redner in Anbetracht der Tagesordnung, aber insbesondere unter den besonderen Umständen, so kurzfassen, wie es möglich ist.

 

Ebenso einen großen Dank gilt der Verwaltung, insbesondere Herrn Schlüter und seinem Team, aber auch der Regionaldirektorin und allen Mitarbeiter/-innen der Verwaltung für Ihre geleistete Arbeit im letzten Jahr unter den bekannten Bedingungen.

 

Seit der Verabschiedung des letzten Haushaltes im Jahre 2019 haben sich die Verhältnisse in diesem Hause wahrlich verändert.

 

Im Dezember 2019, kurz nach unserer Sitzung, erfuhr die Welt, dass in einer bis dahin zumindest vielen von uns unbekannten Stadt Wuhan, mitten in China, ein Virus mit Namen SARS-CoV-2 entdeckt wurde, der wie kaum ein anderes Ereignis die Welt herausfordern, verändern und im schlimmsten Fall spalten würde.

 

Auch für uns Politikerinnen und Politiker des Ruhrgebietes war die Pandemie eine große Herausforderung und sie ist es noch heute, auch wenn es offiziell keine pandemische Lage mehr gibt. Unter diesen Bedingungen die Menschen im Jahre 2020 dazu bewegt zu haben, ein Ruhrparlament zu wählen, das die meisten vorher nicht kannten und dessen Aufgaben bestimmt nicht, war eine große Leistung, die uns allen dennoch gelungen ist.

 

Eine erstmals direkt gewählte Verbandsversammlung mit großer Verantwortung den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber - wer von uns hatte davon nicht geträumt.

 

Nun ist der Traum in Erfüllung gegangen und wir alle sind den Menschen in den 53 Städten im Ruhrgebiet gegenüber verantwortlich für unsere Entscheidungen. Ein klein wenig, so scheint es, sind wir dadurch sogar zusammengerückt, trotz großem Sitzabstand und Maske. Und das ist im Umgang miteinander auch gut so.

 

Meine Damen und Herren,

 

Ich habe vor zwei Jahren in meiner Haushaltsrede viel zu der Frage der Verantwortung der damaligen Koalition aus CDU/SPD und Grünen gesagt, was ich jetzt nicht wiederholen möchte, aber dennoch gilt vieles von dem auch für die jetzige Koalition aus SPD und CDU.

 

Mit ihrem Koalitionsvertrag vom 10. November 2020 haben Sie Ihren Führungsanspruch wie folgt formuliert, ich zitiere:

 

Mit einer absoluten Mehrheit im Ruhrparlament, sowie allen Hauptverwaltungsbeamten in den Rat- und Kreishäusern, sind SPD und CDU von den Wählerinnen und Wählern legitimiert worden, um die Zukunft der Region weiterhin zu gestalten.

 

Danach folgen 21 Seiten mit vielen großen Zielen und Wünschen für unsere Region. Aber was ist die Realität?

 

Alle Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte der Kommunen und Kreise (und eine Reihe davon sitzen heute hier und sind Mitglieder der Verbandsversammlung), mit Ausnahme der Stadt Herne, haben in Ihren Stellungnahmen inständig und deutlich darauf verwiesen und darum gebeten, den Hebesatz nicht zu erhöhen, sondern zu senken. Sie haben deutlich aufmerksam gemacht auf die gerade unter den Bedingungen der Pandemie immer noch prekären Lage der Kommunen.

 

Aber was ist passiert? Wo bleibt die verantwortungsvolle, von allen geforderte "kritische Überprüfung des Haushalts" unter Berücksichtigung der Bedingungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes.

 

Nicht allein die sicherlich geringe Anhebung des Umlagesatzes auf 0,6837 % ist das Problem. Die Entwicklung der absoluten Zahlen der Umlagegrundlage auf Basis der Arbeitskreisrechnung zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2022 stellt die Kommunen vor große Herausforderungen, in Summe ca. 77.000.000 € zu zahlende Umlagebeiträge.

 

Schauen wir uns die Entwicklung der Haushalte der letzten Jahre an, müssen wir wieder einmal folgendes feststellen:

 

Die Ausgaben des Verbandes steigen erneut, wie in alle den Vorjahren und gegenüber den Jahren 2020 und 2021, erneut auf jetzt aktuell 107.720.000 €.

 

Verantwortungsvolle Haushalts- und Finanzpolitik sieht anders aus. Der Jahresabschluss 2019, den wir heute beschließen, macht die Dramatik der Haushaltsentwicklung deutlich.

 

An dieser Stelle recht herzlichen Dank an Sie, Herr Kutzner, für Ihre kurze und gute Präsentation als Vorsitzender des Rechnungsprüfungausschusses.

 

Ein stetiger Anstieg der Verbindlichkeiten des Verbandes und seit der Eröffnungsbilanz im Jahre 2008 nahezu eine Verdoppelung. Dies scheint zunächst nicht kritisch und die Liquidität des Verbandes ist damit sicherlich nicht gefährdet. Aber ist das dauerhaft zu verantworten, die Ausgaben durch steigende Umlagebeiträge und Entnahmen aus der Rücklage auszugleichen? In der Wirtschaft wäre dieser Werteverzehr nicht zu verantworten.

 

Was sind die Ursachen und Folgen für diese Entwicklung?

 

  1. Steigende Personalzahlen und Aufhebungen von Befristungen, was vielleicht bei manchen Stellen sinnvoll erscheint, sind aber als Prinzip dauerhaft nicht zu vertreten. Damit verbundene dauerhafte Steigerungen der Personalausgaben in Millionenhöhe bleiben und müssen finanziert werden.
  2. Immer umfangreichere Aufgaben und Ziele und damit verbundene Steigerungen der Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen (im Haushalt um ca. 12 %) und sonstige Aufwendungen (im Haushalt um ca. 14 %).
  3. Höhere Verschuldungen durch Investitionen und damit verbundene Ausgaben für Rückzahlungen.
  4. Im Ergebnis eine rückläufige Eigenkapitalquote und eine Abnahme der Ausgleichsrücklage.

 

Die von der alten Koalition aus CDU/SPD und B'90/Grüne für die Dekade 2030 mit dem Haushalt 2020/21 beschlossenen Strategiefelder erzeugen Daueraufgaben und -ausgaben, die Grundlage sind, für die eben erwähnten Folgen und Ursachen der Haushaltsentwicklung.

 

Selbst die sicherlich nicht unbekannte Stadt Bochum unter Oberbürgermeister Eiskirch (SPD) hat in Ihrer Stellungnahme die Frage aufgeworfen, ob, ich zitiere:

 

die Mittelbedarfe für das neue Referat „Klima und Umweltschutz“ tatsächlich gerechtfertigt sind.

 

 

Und auch die Stadt Essen unter Oberbürgermeister Kufen (CDU), Zitat:

 

erwartet (…), dass der Regionalverband weiterhin die Möglichkeiten der Aufwandsreduzierung ausschöpft.

 

Nichts davon geschieht jedoch….

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ich glaube, jeder von uns lebt auf ihre oder seine Art den Traum von einem lebendigen und lebenswerten Ruhrgebiet.

 

Stellt sich am Ende die Frage, wie lange wir uns den Traum vom Regionalverband Ruhr leisten werden können?

 

Fehlgeleitete und im wahrsten Sinne des Wortes ihren Preis nicht werte Produkte, wie die Standortmarketingkampagne, werden wir in Zukunft nicht mehr durchführen können und wir müssen und sollten dies auch nicht. Weitere Details zu dieser Kampagne spare ich mir an dieser Stelle. Die FDP-Fraktion hat diese Kampagne von Anbeginn abgelehnt, für nicht notwendig erachtet und die Kosten von 10.000.000 € für nicht verantwortbar gehalten. Schaut man sich die Marketingprodukte unserer Tochtergesellschaft Ruhr Tourismus GmbH an, muss man feststellen, es geht besser und erheblich preiswerter und wirksamer für unsere Region. Teile dieser Ausgaben wären auch sinnvoller im operativen Geschäft der BMR angelegt gewesen, so wie die FDP-Fraktion es seinerzeit gefordert hat.

 

Fazit:

 

Die FDP-Fraktion wird so lange keinem Haushalt dieser Koalition zustimmen, solange nicht erkennbar ist, dass die Ausgaben und Verbindlichkeiten des Verbandes wieder in ein Normalmaß zurückgeführt werden und der Werteverzehr ein Ende hat.

 

Dennoch die FDP ist immer bereit, mit den anderen Fraktionen kooperativ zusammenzuarbeiten und die Aufgaben und Herausforderungen unseres Verbandes und der Region gemeinsam zu stemmen. Wir sind es ja auch gewohnt, mit unterschiedlichen Mehrheiten in Bund und Land gute, verantwortungsvolle Politik zu machen.

 

Vor uns liegen große Herausforderungen. Wir müssen die Menschen im Ruhrgebiet mitnehmen bei unseren Entscheidungen und wir müssen sie ihnen erklären. Dass das nicht immer einfach ist, haben wir soeben bei der Diskussion um den Kiesabbau am Niederrhein erlebt. Auch hier gilt es Verantwortung zu übernehmen auch für unpopuläre Entscheidungen, für die man sich auch manchmal entschuldigen muss. Wir können und wir werden es nicht allen Menschen recht machen, aber wir sollten mit Leidenschaft und Aufrichtigkeit ein Beispiel sein für verantwortungsvolle und in jeder Hinsicht nachhaltige Politik für unsere Region.

 

Die zwanziger Jahre dieses Jahrhundert werden nicht so golden sein wie die des letzten Jahrhunderts, aber wir müssen alles dafür tun, dass sie nicht so enden wie im letzten Jahrhundert.

 

Am Ende ein kleines Zitat eines großen Mannes:

 

Respektiere dich selbst, respektiere andere und übernimm Verantwortung für das was du tust.

 

Dalai Lama

 

Ich wünsche Ihnen Allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine besinnliche und friedliche, aber vor allem gesunde, Weihnachtszeit.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.